Hintergrund – Warum eine Bahnhofstour?
Ein Fünftel der Brandenburger Bahnhöfe und Haltepunkte gilt als nachfrageschwach, weniger als 50 Ein- und AussteigerInnen nutzen sie pro Tag. Die letzte Landesregierung überlegte laut, diese Stationen aufzugeben – immerhin fast jeden 5. Bahnhof im Lande. Als Michael Jungclaus beim Infrastrukturministerium nach den genauen Ein- und Aussteigezahlen an den Bahnhöfen fragte, fielen diese plötzlich unter das Betriebsgeheimnis der Verkehrsunternehmen.
Michael Jungclaus war daher in den letzten anderthalb Jahren zu den mehr als 70 Stationen unterwegs, die die Landesregierung als nachfrageschwach einstuft und die deshalb von der Schließung bedroht sind. Überall traf er auf EinwohnerInnen, BürgermeisterInnen und OrtsvorsteherInnen, die aufzeigen, warum der Halt bleiben oder welche Alternative, z. B. eine (Ruf-)Buslinie, her muss, wie das Angebot und die Verknüpfung von Bus und Bahn verbessert werden können – und dass barrierefreie Zugänge zu den Bahnsteigen geschaffen werden müssen. Die Sorge der BürgerInnen, die sich aufgrund dessen um den Erhalt ihrer Bahnhöfe sorgen, kann er sehr gut nachvollziehen.
Die Landesregierung fordert bessere Bahnverbindungen. Wenn Verkehrsministerin Kathrin Schneider aber kundtut, den öffentlichen Nahverkehr im Speckgürtel zu stärken, aber insgesamt die ÖPNV-Mittel nicht zu erhöhen, dann ist klar, dass an anderer Stelle eingespart werden muss. Denn jeder Zug, der in einem Bahnhof hält, kostet Geld. Die DB Station & Service, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, verlangt von Eisenbahnunternehmen ein Stationsentgeld für die Benutzung ihrer bundesweit 5400 Bahnhöfe. Jeder Bahnhof wird nach bundesweit einheitlichen Merkmalen einer Kategorie zugeordnet, wobei Bahnhöfe der oberen Kategorien (Kat. 1 und 2) grundsätzlich vor allem große Knotenbahnhöfe darstellen, während von den unteren Kategorien (Kat. 5 und 6) in der Regel eher Bahnhöfe mit geringerer verkehrlicher Bedeutung bzw. Infrastruktur oder in der Kategorie 7 einfache Haltepunkte erfasst werden.
Dass in sechs Jahren jeder Bahnhof in Deutschland barrierefrei sein muss – so die gesetzliche Vorschrift – wird die Stationsschließungsneigung der Bahn wohl befeuern. Weniger als 30 der 340 Bahnhofsgebäude sind überhaupt noch öffentlich zugängig. Statt die oft historischen Bauten verfallen oder abreißen zu lassen, könnten darin z. B. Regionalläden und Cafés wie in Wiesenburg oder eine Touristinfo samt Fahrradverleih wie in Chorin entstehen. Das möchte unsere Fraktion ändern. Sachsen-Anhalt hat kreative barrierefreie Lösungen und ein Bahnhofsanierungsprogramm revita entwickelt. Lässt sich da noch etwas für Brandenburg lernen? In Folge unseres Antrags hat der Landtag einen Beschluss zur Sanierung und Neunutzung verfallender Bahnhöfe gefasst. Den Auftakt bildet eine umfassende Bestandsaufnahme aller leer stehenden Bahnhofsgebäude im Land.